Unsterblich – unser Blick auf die Welt

Frühlingszeit, Zeit für Gefühle. Unsterblich verliebt sagt man, wenn es einen richtig erwischt hat. Aber über Liebe will ich jetzt nicht schreiben. Höchstens die Liebe zu unseren Ahnen.

Denn wenn ich meinen Sohn sehe, wie er mich mit den Augen meiner Mutter anschaut …

Dann kann man sich leicht vorstellen, dass diese Augen auch schon vor mehreren Generationen sein Gegenüber anzwinkerten …

… und verzauberten und vergessen machten, was für einen Quatsch der Säugling gerade angestellt hatte, in dem er alle Töpfe und Pfannen aus dem Schrank scheppernd und krachend auf dem Küchenboden verteilt hatte. Durch die Augen, so heißt es, schaut man in die Tiefe der Seele. Die Vorstellung, dass der herzzerreißende Blick eines Babys ein Remake eines genauso entzückenden Blickes ist, das vielleicht vor Hunderten oder Tausenden von Jahren lebte. Das diese eine Art zu gucken und dabei die Nase zu rümpfen, vielleicht unsterblich ist, sich bewährt hat im darwinschen Überlebenskampf. Faszinierend oder?

Schauen Sie sich mal wieder um!

Bis zum Lebensende schauen wir in die Augen unserer Mitmenschen, so lange bis das Augenlicht erlischt und suchen dort nach Antworten. Als sein Opa neulich Sonnenbrille trug, hat ihn unser Sohn nicht erkannt und losgeweint. Erst als Opa die Brille abnahm, wurde er wiedererkannt und mit einem Lächeln belohnt. Nutzen Sie die Frühlingszeit auch dafür, einmal wieder bewusst um sich zu schauen. Viele Menschen freuen sich, wenn man sie anlächelt und man wird dadurch mit zweierlei belohnt: oft bekommt man ein Lächeln zurück geschenkt und selbst fühlt man sich besser, wenn man seine Mitmenschen anschaut, es gibt einem ein Gefühl von Sicherheit. Auch ein archaischer Reflex.

Von Kopfjägern und anderen Ritualen

Bei einem Volk von Kopfjägern auf Guinea gab es einst den Brauch: wem du in die Augen geschaut hast, den darfst du nicht töten. Wenn Sie jetzt sagen, das sei ein alter Hut, dann vergessen Sie bitte nicht, dass das alte Ritual der Kopfjagd eines der ältesten der Welt ist und noch die keltischen Reiter die Köpfe ihrer Feinde an das Zaumzeug ihrer Pferde banden. Vergessen Sie also nicht, dass in unseren Köpfen noch viel aus unserer Vergangenheit herumschwirrt. Und diese Vergangenheit bezieht sich nicht nur auf ein paar Generationen. Denn was uns ausmacht, wurde in einer langen Entwicklungsgeschichte geprägt, die unsere Vorstellungsgabe sprengt. In diesem Sinne sind wir unsterblich und nicht aus der Welt, auch wenn wir als Individuum irgendwann das Zeitliche segnen. Unser Blick auf die Welt könnte es sein, den wir vererben und weitergeben an die nächste Generation. Eine fast unendliche Geschichte … .